Glorifiziert Shades of Grey sexuelle Misshandlung?



Disclaimer: Mir ist bewusst, dass ich mit diesem Post ein sehr sensibles Thema anspreche. Bitte beachtet, dass ich hier bloß meine eigene Meinung ausspreche. Ich möchte keinem meiner Leser diese Meinung aufzwingen oder sie als "die einzig richtige" Ansicht darstellen. Wir können in den Kommentaren sehr gerne diskutieren, solange alle Ergänzungen und/oder Anmerkungen auf Respekt basieren. :)

Außerdem möchte ich noch kurz erwähnen, dass ich selbst nicht der größte Fan von Shades of Grey bin. Zum Zeitpunkt dieses Posts habe ich den ersten Teil als Hörbuch gehört. Ich fand ihn ganz okay, aber nicht überragend. Um mir ein besseres Bild machen zu können, werde ich die anderen beiden Teile in baldiger Zukunft ebenfalls als Hörbuch hören. Im Moment jedenfalls bin ich von der Geschichte weder überzeugt noch abgeneigt. Falls ich also irgendwelche Handlungen in Schutz nehme, ist das nicht, weil ich ein riesiges, parteiisches Fangirl bin, sondern weil es meine ernste, unvoreingenommene Meinung ist.

Zuletzt gibt es viele Streitpunkte über Shades of Grey. Zum Beispiel, dass die Trilogie sexistisch gegenüber Männern, oder Christian ein Stalker ist. Darum geht es hier aber nicht. Ich möchte mich einzig und alleine auf den Punkt "Sexueller Missbrauch" beziehen.




Seitdem die 50 Shades of Grey Trilogie auf den Markt kam, ist sie in aller Munde. Aber nicht nur weil sie scheinbar die Erotikbuchbranche mit dem BDSM-Thema auf den Kopf gestellt hat. Und nicht nur weil sie auf einer Twilight Fanfiction basiert. Sondern mittlerweile fast hauptsächlich, weil viele Leute (Leser/innen oder auch nicht) der festen Überzeugung sind, dass Shades of Grey sexuellen Missbrauch glorifiziert. Ich selbst bin da ganz anderer Meinung.

Ich kann verstehen, wieso viele Leute so denken. Und ich möchte niemanden auf den Schlips treten, wenn ich sage, dass ich das Ganze mit ein bisschen anderen Augen betrachte. Fakt ist allerdings, dass nirgendwo in dem ganzen Buch geschrieben steht, dass etwas gegen Anas Willen geschieht.

Ja. Christian Grey ist dominant.
Ja. Anastasia ist kein großer Fan von seinen Gelüsten.

Das sind Fakten, die niemand bestreitet. Dennoch interessiert sie, was es mit Christian auf sich hat. Das allerwichtigste ist aber folgender Dialog (vor allem die drei Sätze, die ich extra noch einmal unterstrichen habe):



Christian Grey: It's just behind this door.
Anastasia Steele: What is?
Christian Grey: My playroom.
Anastasia Steele: Like your Xbox and stuff?
Christian Grey: It's important that you know you can leave at anytime.
Anastasia Steele: Why? What's in there?
Christian Grey: I meant what I said. The helicopter is on standby to take you whenever you want to go.

Dieser Dialog wird scheinbar immer wieder vergessen, ist aber sehr sehr sehr wichtig. Christian versichert Anastasia von Anfang an, dass sie jederzeit gehen kann, wenn es ihr zu viel wird. Er überrumpelt sie nicht, à la "Hier ist mein Playroom und ich werde dich nie wieder gehen lassen."
Ganz im Gegenteil. Er möchte sie von Anfang an nicht überrumpeln und gibt ihr Zeit, alles genaustens anzuschauen, bevor irgendetwas passiert.

Und Anastasia lässt sich auf die Beziehung vorerst ein. Okay, sie hat den Vertrag noch nicht unterschrieben. Das wäre etwas, worüber man gerne diskutieren kann. Aber sie hat ihn gelesen. Sehr genau sogar.


Obwohl sie nach dem Lesen noch immer nicht 100% überzeugt ist, lässt sie sich auf ein weiteres Gespräch mit Christian ein. Ein Gespräch, in dem sie genau diesen Vertrag gemeinsam durchgehen. Das heißt, sie zieht es zumindest in Erwägung zuzusagen und ist offen, darüber zu sprechen. Sie sagt niemals: "Nein, ich will das alles überhaupt nicht." und Christian streicht gehorsam Sachen aus dem Vertrag heraus, die gegen Anastasias Einwilligung sind (zum Beispiel das Fisten). Auch, wenn man ihm ansieht, dass er diese Dinge nicht gern aufgibt, tut er es, ohne groß darüber zu diskutieren.


Nicht zu vergessen ist die Szene (sowohl im Buch als auch im Film), in der wir sehen können, dass Ana Christians Rat befolgt und nach BDSM im Internet sucht. Das bedeutet, sie sieht was Christian sich in dieser Beziehung vorstellt. Nur einen Vertrag zu lesen ist das Eine. Dann aber noch genügend Zeit zu haben, sich ausgiebig zu informieren, im Internet nachzuschauen, was diese Dinge bedeuten etc. etc. etc. ist die andere Sache. Und trotzdem möchte sie weiterhin mit Christian zusammen sein.


Ebenfalls ein sehr wichtiges Zitat aus dem Buch. Sie vertraut ihm. Und das sagt sie, nachdem sie von Christians Vorlieben erfahren hat. Sie ist noch immer offen für seine Art und Weise, Frauen zu lieben. Bis jetzt ist noch nichts vorgefallen, was -- meiner Meinung nach -- zeigt, dass hier irgendetwas mit sexueller Misshandlung stattfindet. Beide Partner sind sich dessen bewusst, was während des Sexes passieren wird. Beide sind damit einverstanden. Solange das der Fall ist, ist alles im grünen Bereich.


Übrigens! Nachdem Christian erfahren hat, dass Anastasia noch Jungfrau ist, schläft er mit ihr. Also normal. Ohne irgendwelche seiner Hilfsmittel. Ihr wisst schon. Sie schlafen ganz einfach miteinander. Das scheint vielleicht für manche bedeutungslos zu sein, aber ich finde das schon irgendwie wichtig. Immerhin bedeutet das, dass Christian Ana auf die bevorstehenden Ereignisse vorbereiten möchte. Im Buch ist er sogar richtig sauer, dass sie Jungfrau ist, weil er dachte, sie hätte mehr Erfahrung was Männer angeht. Was bedeuten würde, dass sie eventuell offener für sein BDSM-Zeug ist, aber Ana versichert ihm im Buch, dass es okay ist. Sie möchte nicht von ihm loslassen und sie möchte mit ihm schlafen.
Dieses Zitat bringe ich hier nicht mit herein, weil sie hier gesteht, dass sie ihn liebt. Nein. Denn selbst wenn man jemanden liebt, kann man natürlich missbraucht werden. Es geht mir hier eher darum, dass sie von sich selbst aus sagt, dass sie Zeit mit Christian verbringen will. Auch wenn er ein "kontrollsüchtiger Sexgott" ist.


Soweit so gut. Kommen wir zum ernsteren Teil: Der BDSM. Nachdem Anastasia und Christian miteinander geschlafen haben, gehen sie es erstmal langsam an. Christian verbindet ihr zum ersten Mal die Hände während sie Sex haben. Anastasia gefällt das! Und, wie ihr im oberen Bild seht, streckt sie ihm beim nächsten Mal sogar die Hände entgegen, weil sie will, dass Christian sie ein weiteres Mal zusammenbindet. Ich würde nicht sagen, dass sie auf den Geschmack gekommen ist, aber bis jetzt hat sie noch immer keinerlei Problem. Diese leichten und seichten Fesselspiele gefallen ihr ja sogar.


Okay, es wird immer ernster. Jetzt ist Anastasia in Christians Playroom. Jetzt geht es ja eigentlich richtig los. Man sieht während des Filmes eindeutig, dass Anastasia Respekt vor dem Ganzen hat. Aber sie willigt ein. Sie sagt niemals "Nein", auch, wenn sie Christians Handlungen hinterfragt. Ab jetzt verstehe ich die Kontroversen und warum viele Leute von sexueller Misshandlung ausgehen. Immerhin merkt man immer noch klar, dass Anastasia nicht ganz sicher ist. Aber man darf auch nicht vergessen, dass die beiden "Safe Words" haben, was bedeutet, dass Ana jederzeit sagen kann, wann ihr etwas zu viel wird. Wenn sie eines dieser Safe Words benutzt, muss Christian (laut Vertrag) sofort damit aufhören, was er tut. Ana benutzt nie eines dieser Worte, da für sie zwar einiges sehr befremdlich ist, aber es nichts gibt, was ihr wirklich weh tut oder was sie überhaupt nicht will. Und außerdem steht ja immer noch das Angebot von Christian: Wenn sie gehen möchte, kann sie das jederzeit tun.

Ich kann wirklich verstehen, dass viele Leute ab diesem Zeitpunkt von Misshandlung ausgehen. Aber Ana beschwert sich nicht und zunächst gefällt ihr ja auch, was passiert. Für sie ist das eben alles neu, also ist sie wohl auch neugierig.


Jetzt kommen wir zur Szene aller Szenen. Anastasia möchte verstehen, warum Christian so ist wie er ist und sie überlegt noch immer, ob sie den Vertrag unterschreiben soll oder nicht. Um ihre letztendliche Entscheidung zu fällen, bittet sie ihn, sie schlimmst möglichst zu bestrafen. Sie möchte sehen, wie extrem diese mögliche Beziehung zwischen ihnen werden könnte. Und Christian tut, was sie sagt. Er schlägt sie insgesamt sechs mal mit einem Gürtel und will, dass sie mitzählt. Anastasia willigt ein. Und das ist das erste Mal, dass sie wirklich sieht, was passieren könnte. Als die beiden fertig sind, weint sie (verständlicherweise). Christian möchte ihr aufhelfen, aber sie sagt: "Don't fucking touch me." und verschwindet im Fahrstuhl.


Wenn ihr alleine von diesem Ende nur die ersten 20 Sekunden anschaut, seht ihr, dass Ana sehr wohl in der Lage ist, "Nein!" zu sagen, wenn sie es möchte. Also kann man auch nicht davon ausgehen, dass sie einfach die ganze Zeit zu 'schüchtern' oder zu unterdrückt war, sich gegen irgendetwas zu wehren. Das bestärkt mich in der Ansicht, dass sie alles, was soweit passiert ist, wollte. Auch das Ende. Obwohl es natürlich anders ausgegangen ist, als sie sich wahrscheinlich vorgestellt hat. Und Christian läuft ihr auch nicht hinterher oder zieht sie aus dem Fahrstuhl oder so. Er bleibt stehen, möchte zwar, dass sie da bleibt, lässt sie aber gehen. Genau so, wie es am Anfang abgemacht war und wie ich es nun zum dritten Mal hier sage: Ana kann jederzeit gehen. Und das tut sie hiermit auch, als ihr alles zu viel wird.

Und hiermit ist für mich die Sache klar, dass hier keinerlei sexueller Missbrauch stattgefunden hat. 

Ja. Ana wurde verletzt.
Ja. Sie ist gegangen, als sie es nicht mehr ertragen konnte und sie nicht mehr mit den Dingen, die in ihrem Sexleben passiert ist, einverstanden war.

Und Christian hat sie ohne Widerspruch gehen lassen.

* * *

Hätte das Buch damit geendet, dass Christian ein Problem damit gehabt hätte, dass Ana gehen will oder sie zu dieser Beziehung weiterhin gezwungen hätte, wäre das eindeutig Missbrauch, darüber gibt es wirklich nichts zu diskutieren.

Natürlich kann man jetzt immer noch der Meinung sein, dass Christian ein richtiger Verbrecher und Schuft ist. Vielleicht ist er das. Aber es gibt genug andere Männer in Büchern, Filmen, -- oder noch schlimmer! -- im echten Leben, die viel fürchterlicher sind als er. Das sollte man vielleicht ebenfalls im Kopf behalten.

Da ihr (hoffentlich) den Disclaimer am Anfang gelesen habt, wisst ihr ja, dass ich bis jetzt nur den ersten Teil der Trilogie gelesen, beziehungsweise gehört, habe. Daher spricht dieser ganze Post auch nur diesen einen Teil an. Falls sich meine Meinung während Fifty Shades Darker und Fifty Shades Freed noch ändern sollte, werde ich natürlich einen neuen Post dazu machen. Es tut mir leid, falls ich jemanden mit diesem Thema oder meiner Meinung zu nahe gekommen bin. Ihr könnt mich gerne in den Kommentaren wissen lassen, was ihr zu sagen habt.

2 Kommentare:

  1. Hallöchen,

    einen wirklich interessanten Post hast du da geschrieben :) Und ich bin völlig deiner Meinung! Für mich ist es auch kein sexueller Missbraucht und du hast das wirklich sehr gut begründet. Christian lässt ihr immer die Wahl und drängt sie zu nichts. Gut, dass sie mit der letzten Szene nicht mit diesem Extremen gerechnet hat, ist wohl wahr und war hart für sie, aber dafür kann Christian eigentlich nichts, weil er sie immer davor gewarnt hat, wie heftig es werden kann.
    Also ich bin deiner Meinung :)

    Liebe Grüße
    Kate

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    1. Hey Kate! :)

      vielen Dank für die lieben Worte! Freut mich, dass ich nicht die Einzige bin, die das Ganze so sieht und dass du mir da zustimmst!

      Liebste Grüße! x

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